Recht haben – Freundschaft verlieren

 

Warum wir immer Recht haben wollen

Klug, umsichtig und mächtig – das sind Eckpfeiler einer Führungsperson. Egal ob im Berufsleben oder im Privatleben, wir möchten so wahrgenommen werden, dass andere Menschen Respekt vor uns haben. Und dazu gehört, immer Bescheid zu wissen, vorausschauend zu sein und den anderen sagen zu können, wo es lang geht. Für viele Menschen gibt es kaum ein besseres Gefühl als zu erleben wie sich die Mitmenschen an ihm orientieren und nach ihm richten. Dann das zeigt, dass sie anerkennen: Diese Person hat immer Recht. Man zweifelt nicht an ihm oder ihr, denn was immer gesagt oder getan wird, ist automatisch richtig. Recht haben: Der ultimative Push für unser Ego!

Wenn ich mit etwas Recht habe, dann war ich der oder die Beste. Am klügsten, am umsichtigsten, am erfahrensten. Kurz gesagt: Besser als alle anderen Anwesenden.

Es ist letzten Endes nicht einmal am wichtigsten, DASS wir Recht haben (denn es könnte ja genügen, dass wir das selbst wissen), sondern die Selbstdarstellung muss stimmen. Selbst wenn das „Recht haben“ nur kurze Momente ausmacht, verschaffen diese uns doch eine umfassend gutes Gefühl, denn unser Ego fühlt sich nachhaltig bestätigt. Wir haben nicht nur uns selbst bewiesen, dass wir die beste Person im Raum sind, sondern es auch allen anderen klar gemacht. Sie müssen jetzt also Respekt haben und dieser ist wie reines Gold für unser Ego.

 

Macht oder Freundschaft – was wiegt schwerer?

Wenn es darum geht, dass dieses Ego und eine wichtige Freundschaft kollidieren, leidet leider meist die Freundschaft. Denn dem Ego ist es nicht bewusst, wie sehr ein Beharren auf dem „Recht haben“ der Freundschaft schadet und wie sensibel zwischenmenschliche Beziehungen sind. Gleichzeitig möchte das Ego auch nicht wahr haben, wie wichtig diese Freundschaft ist, denn ein großes Ego ist sich selbst genug. Niemals würde dieser machthungrige Teil von uns selbst einsehen wollen, dass wir von anderen Menschen emotional abhängig sind. Je nachdem, welcher Teil unserer Persönlichkeit also gerade die Entscheidungsgewalt und das Sagen hat, wiegt die Freundschaft schwerer, oder eben das „Recht haben wollen“. Und leider hat in Momenten, in denen es um das Recht haben geht, oft das Ego die Oberhand.

Wenn wir es dann (oftmals leider erst nach einer Eskalation) schaffen, die Situation zu reflektieren, dann wendet sich das Blatt oft. Wir sehen ein, dass eine gute Freundschaft eigentlich mehr wiegt als die kurze Befriedigung des eigenen Egos, die uns das Durchsetzen des „Rechthabens“ verschafft hat. Dann kann es aber schon zu spät sein und die Freundschaft einen echten Vertrauensbruch erlitten haben. Denn wenn wir unser Besserwissen durchsetzen, zeigen wir Freunden nicht nur, dass wir etwas besser wissen oder können, sondern auch, dass wir es nötig haben, uns über sie zu stellen.

 

Der Schaden an Freundschaften durch Rechthaberei

In einer Freundschaft geht es nicht darum, sich selbst darzustellen. Zumindest sollte das im Idealfall so sein. Wir pflegen aber viele lockere Freundschaften, in denen wir uns nicht von allen Seiten zeigen oder nicht komplett fallen lassen. Das bedeutet nicht, dass diese Freundschaften weniger wert oder weniger wichtig sind. Es bedeutet lediglich, dass sie vielleicht noch wachsen, oder sogar, dass wir selbst noch lernen müssen, zu vertrauen. Wenn man in Freundschaften nicht komplett man selbst sein kann, kann das auch ein Zeichen sein, dass das eigene Ego noch zu mächtig ist. Man neigt dann zur Selbstdarstellung und möchte den Respekt und die Bewunderung der Freunde ernten. Dabei ist die Gefahr sehr groß, im Zweifelsfalle zwanghaft Recht haben zu wollen.

 

Für das eigene Ego ist das Durchsetzen vom „Recht haben“ ein Zeichen für die Intelligenz, das Wissen und das Einfordern der Führungsposition unter den anwesenden Personen. Ein selbstverständliches Vorgehen, denn wenn wir doch WISSEN dass wir Recht haben, dann muss das auch deutlich gesagt werden, oder? Wir fühlen den Drang, die anderen Anwesenden zu belehren, weiterzubilden, sie um ihre falschen Annahmen zu erleichtern. Dieses überhebliche Besserwissen trägt aber niemals dazu bei, dass Freunde sich informiert fühlen und dankbar oder gar bewundernd die Überlegenheit des Besserwissers anerkennen. In den meisten Fällen führt es nur dazu, dass eine Freundschaft überschattet wird, denn es entsteht der Eindruck „Dieser Mensch möchte sich mit aller Macht über mich erheben und findet Gefallen daran, micht klein zu machen.“ So jemand kann kein guter Freund sein.

 

3 Tipps für den Umgang mit „Recht haben wollen“

Wer jetzt eingesehen hat, dass „Recht haben wollen“ eine gefährliche Gratwanderung für wichtige Freundschaften bedeutet, wird hoffentlich etwas ändern wollen. Der Entschluss, menschliche Beziehungen zukünftig wichtiger zu nehmen als das eigene Ego, ist an sich schon kraftvoll. Damit dies aber tatsächlich gelingt, sind einige Leitfäden eine gute Hilfe. Diese Tipps können im entscheidenden Moment die richtige Richtung weisen und dafür sorgen, dass sich das eigene Wertesystem nicht wieder ungünstig verschiebt.

 

  1. Empathie üben: „Wie würde ich mich fühlen?“

Eine wichtige Übung für Situationen, in denen es um das Recht haben und behalten geht, ist die Empathie. Wer sich in Empathie übt, kann sich bald besser in andere Menschen und vor allem Freunde hinein versetzen. Bevor man eine Diskussion beginnt, sollte man sich daher immer fragen, wie sich die andere Person gerade fühlt. Vor allem wenn es sich um einen Freund handelt, sollte man die Beweggründe von dessen Meinung verstehen können. Es lässt sich besser beurteilen, wo die Meinungen herkommen und welche Themen für den Freund besonders bedeutsam und emotional belastet sein könnten. Die Empathie hilft dann dabei, dem Gemütszustand nachfühlen zu können. Vielleicht braucht der Freund einfach grade etwas Bestätigung oder ein Erfolgserlebnis. Ober bei dem entsprechenden Thema geht es um eine besondere Leidenschaft des Freundes. Selbst wenn er oder sie dann einmal nicht Recht hat, sollte man selbst als guter Freund dieses Recht zugestehen können, um verletzte Gefühle zu vermeiden. Wenn es wichtig erscheint, kann man das Thema später in Ruhe oder unter vier Augen aufgreifen und richtig stellen. Die Hauptsache ist, dass man im entscheidenden Moment das Gefühl für den Freund über das eigene Ego stellen kann, weil man sich in ihn oder sie hineinversetzt hat.

 

„Der Klügere gibt nach“: Liebevolle Nachsicht

Wenn man sich sicher ist, Recht zu haben, gibt es einen guten Mittelweg. Es ist nämlich nicht immer die oberste Priorität, dieses „Recht haben“ mitten in den Raum zu stellen und alle Anwesenden darum herum tanzen zu lassen. In vielen Fällen (wenn es nicht um absolut wichtige Themen geht) ist es völlig ausreichend, wenn man selbst weiß, dass man Recht hat. Die negative Energie und Zeitverschwendung einer umfangreichen Diskussion darüber kann man sich in den meisten Fällen sparen und damit auch einige Freundschaften bewahren. Indem man es schlicht nicht nötig hat, auf jedem Detail herum zu reiten und nach dem Prinzip vorgeht: Du hast Recht und ich meine Ruhe. Der Klügere ist in solchen Situationen nämlich auch derjenige, der in sich ruht und es nicht nötig hat, sein „Besser wissen“ in den Mittelpunkt zu stellen. Er weiß, wann der richtige und vor allem, wann der falsche Zeitpunkt ist, andere zu belehren und zu bilden. Andere Menschen, vor allem Freunde, liebevoll sie selbst sein zu lassen, ist ein wichtiger Freundschaftsdienst.

 

  1. Folgen abwägen: Was könnte im schlimmsten Fall passieren?

Es gibt jedoch auch Situationen, in denen etwas wichtiges davon abhängt, dass man Recht hat. Wenn es um Entscheidungen geht, bei denen es nur ein „Richtig“ und viel „Falsch“ gibt, muss man manchmal auf seinem „Recht haben“ beharren. Auch in diesen Fällen gibt es jedoch immer eine Seite, die schwerer wiegt: Die Freundschaft oder das „Recht haben“. Und bevor dieses durchgesetzt wird, sollten die beiden Seiten abgewogen werden. Im Zweifelsfalle gilt es also immer, zu beurteilen, wo der Schaden größer ausfallen würde. Kann die Freundschaft trotz eines rechthaberischen Zwischenfalles repariert werden? Sie die Schäden, wenn ich nicht auf meinem Recht beharre, zu verheerend? Ist mir die Freundschaft dennoch mehr wert? Oder schade ich vielleicht dem Freund mehr, wenn ich ihn machen lasse, obwohl ich weiß dass ich Recht habe und er Unrecht? Er die Folgen abwägen und dann handeln, ist hier die Devise!

 

Fazit: Man sollte unterscheiden, zwischen Job und Privatleben. Im Job leben herrschen etwas andere Regeln. Da geht es um das dritte, die Arbeit überhaupt. Im Privaten ist die Überlegung, eher lieber die Freundschaft bewahren. Oder doch darauf pochen, dass man eben nun mal Recht hat.